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Die Zukunft der
Immobilien-
märkte

Interview mit Thomas Hügler
und Jan Polland

Mit der Krise kehrten Unsicherheiten an den Immobilienmarkt zurück. Jan Polland und Thomas Hügler, Leiter gewerbliche und private Immobilienfinanzierungen, erläutern die Entwicklungen und verraten, wo Chancen für Investoren liegen.

Herr Hügler, mal zusammengefasst: Wie hat sich der Markt der privaten Immobilienfinanzierungen unter dem Eindruck der Corona-Pandemie entwickelt?

Thomas Hügler: Bedingt durch Filialschließungen unserer Partnerbanken gab es einen kurzen Rückgang der Nachfrage während des ersten Lockdowns. Aber die Situation hat sich schnell wieder beruhigt. Im Jahresverlauf ist die Nachfrage im Vergleich zu den Vorjahren nochmals deutlich gestiegen.

Wenn wir auf Details schauen: Die Menschen haben viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht. Hat das den Blick auf Wohnen und Wohnimmobilien verändert? Welche Auswirkungen stellen Sie fest?

Das Thema Homeoffice hat meines Erachtens gesellschaftlich an Bedeutung gewonnen und ist salonfähig geworden. Dadurch hat sich auch die Nachfrage bei Immobilien verschoben: Zu Hause wird zusätzliche Fläche benötigt, eine urbane Lage ist nicht mehr so bestimmend. Nach wie vor wichtig: Durch das niedrige Zinsniveau sind Immobilien trotz weiter gestiegener Preise noch bezahlbar. Das Interesse unserer Kunden bleibt abhängig von der langfristigen Zinssicherung.

Herr Polland, die Menschen waren viel im Homeoffice, das heißt auch, sie waren weniger im Büro. Dessen Nutzwert scheint geschrumpft. Spüren Sie das?

Jan Polland: Immobilien stellen in der Regel ein langfristiges Investment dar. Viele Entwicklungen, wie multilokales Arbeiten und Flächeneffizienzsteigerungen, sind für die Immobilienwirtschaft nicht neu – Corona wirkt hier lediglich als Beschleuniger. Derzeit werden aber auch die Nachteile der vielfach unfreiwilligen Homeoffice-Periode sichtbar. Büros sind Orte der menschlichen Begegnung und des kreativen Austauschs. Nicht jeder Beschäftigte hat zu Hause ein ruhiges Arbeitszimmer. Das Homeoffice ist ein Add-on und selten ein Ersatz für den Büroarbeitsplatz – von ungeklärten rechtlichen Fragestellungen, Kosten und technischen Umsetzbarkeiten mal ganz abgesehen. Ich denke, dass wir zukünftig bei der Büroarbeit vermehrt ein hybrides Arbeitsmodell haben, wodurch in Teilen der Flächenbedarf zurückgehen dürfte. Andererseits werden neue Arbeitsplatzkonzepte mehr Abstand der Mitarbeiter zueinander vorsehen, um hygienische Standards zu gewährleisten. Wir gehen davon aus, dass der Markt für Investoren interessant bleibt, auch wenn Corona nicht spurlos an uns vorbeigehen wird.

Ist der Boom bei den Gewerbeimmobilien damit beendet? Welche Auswirkungen hat das auf das Geschäft der MünchenerHyp?

Nein, ganz und gar nicht. Zum einen gibt es derzeit wenig attraktive alternative Anlagemöglichkeiten. Zum anderen sorgt das weiterhin niedrige Zinsniveau dafür, dass die Finanzierungskosten niedrig bleiben. Aber wir bemerken eine Verunsicherung des Marktes: Die möglichen konjunkturellen Auswirkungen der Krise machen Investitions- oder Finanzierungsentscheidungen nicht leichter. Wir wissen, dass potenzielle negative konjunkturelle Folgen meist zeitversetzt auf den Immobilienmarkt treffen. Derzeit neigen wir trotz hohen Konkurrenzdrucks zu eher defensiven Kreditstrukturen und stressen die Cashflows der zu finanzierenden Beleihungsobjekte in alle Richtungen – einschließlich des obligatorischen „Corona-Szenarios“.

Herr Hügler, die Innenstädte sind ausgestorben, die Bürostädte verwaist – dafür spazieren die Menschen massenhaft im Grünen. Ist die Zeit der Landflucht vorbei? Welche Auswirkungen sehen Sie auf das Immobiliengeschäft?

Die Nachfrage nach Wohnimmobilien in den Speckgürteln der Metropolen nimmt deutlich zu. Wo früher das Kulturangebot und die Nähe zum Arbeitsplatz die Gründe für den Zuzug in die Ballungszentren waren, sind jetzt bezahlbarer Wohnraum mit Freizeitmöglichkeiten im Grünen zunehmend in den Fokus gerückt. Auch die Bereitschaft der Arbeitgeber zum Homeoffice stärkt diesen Trend, da der Zeitfaktor Arbeitsweg an Bedeutung verliert. Damit wird eine ausgewogene Work-Life-Balance abseits der Städte und näher an der Natur für viele Menschen noch attraktiver.

Herr Polland, Corona wirkt auf unterschiedliche Branchen ganz unterschiedlich. Wie haben sich die Teilmärkte entwickelt?

Sehr positiv haben sich die Logistikimmobilien entwickelt. Zum einen haben die Deutschen während der Pandemie ihre Online-Einkäufe um mehr als 50 Prozent gesteigert. Zum anderen führte die Rückverlagerung globaler Lieferketten von Asien nach Europa zu einer höheren Nachfrage. Das wird auch langfristig so bleiben. Ebenfalls top entwickelt hat sich der Markt für Wohnimmobilien. 30 Prozent der im Jahr 2020 gehandelten Immobilien waren Wohnimmobilienportfolios. Der Büroimmobilienmarkt ist stabil – viele Immobilien sind langfristig vermietet. Schwer haben es derzeit Handel und Hotellerie, wobei man auch hier differenzieren muss: Fachmarktzentren mit Nahversorgungscharakter beispielsweise verzeichnen starken Zulauf.

Herr Polland und Herr Hügler, das Jahr 2020 hat uns gelehrt, dass es schwierig ist, in die Zukunft zu schauen. Wagen wir es trotzdem: Wie sehen Sie die Entwicklung für das kommende Jahr? Wo sehen Sie Herausforderungen und Chancen für die MünchenerHyp und ihre Investoren?

Jan Polland: Bezogen auf unsere Neugeschäftsziele versuchen wir unseren Wachstumskurs mit Augenmaß fortzuschreiben. Es bleiben aber natürlich einige Unbekannte, insbesondere in der weiteren konjunkturellen Entwicklung, aber auch bei einigen globalen politischen Herausforderungen. Aber Risikoeinschätzung ist unsere Kernkompetenz: Ich denke, gerade in Deutschland können wir mit Fug und Recht auf die nachhaltige robuste Wirtschaftskraft setzen. Wir sollten positiv nach vorn schauen.

Thomas Hügler: Das Thema Homeoffice wird auch nach dem Wegfall der Pandemieeinschränkungen aktuell bleiben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden die neugewonnene Freiheit und die Lebensqualität weiterhin einfordern. Meiner Meinung nach ergibt sich daraus eine veränderte, aber weiterhin hohe Nachfrage nach Wohnimmobilien „im Grünen“ und im weiteren Einzugsbereich der Ballungszentren. In den Großstädten wird die hohe Nachfragelücke dadurch kleiner und der Preisanstieg wird etwas abflachen. Das Zinsniveau wird sich voraussichtlich kaum verändern.

    Das Homeoffice ist ein Add-on und selten ein Ersatz für den Büroarbeitsplatz. Wir gehen davon aus, dass der Büroimmobilienmarkt für Investoren interessant bleibt.
Jan Polland

Fallback

30 Prozent der im Jahr 2020 gehandelten Immobilien waren Wohnimmobilienportfolios
    Die Nachfrage nach Wohnimmobilien in den Speckgürteln der Metropolen nimmt deutlich zu. Die Bereitschaft der Arbeitgeber zum Homeoffice stärkt diesen Trend, da der Zeitfaktor Arbeitsweg an Bedeutung verliert.
Tomas Hügler

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